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Freier Zugang zur Natur

Wie kann dieser für die Erholungssuchenden besser abgesichert werden?

Am 29. April wurde in Wien, im tollen Ambiente des Bildungszentrums der AK Wien, die Studie der Naturfreunde Österreich, der Arbeiterkammern und des Österreichischen Alpenvereins vorgestellt, die zeigte, welche rechtlichen Verbesserungen notwendig wären, damit alle Erholungssuchenden in Österreich die Natur genießen können.

Österreich hat viele wunderschöne Naturgebiete – die Natur ist jedoch zum großen Teil in privatem Besitz. So sind etwa 82 Prozent der heimischen Waldflächen in privater Hand, alleine die Hälfte davon gehört Kleinwaldbesitzer:innen. Seit 1975 ist es gesetzlich erlaubt, den Wald unentgeltlich zu betreten, und gerade in den vergangenen Corona-Jahren hat es immer mehr Menschen zum Wandern und anderen Aktivitäten in die Natur gezogen.

 

Leider treffen Liebhaber:innen der Natur aber immer häufiger auf „Betreten verboten!“-Schilder. Nicht selten fallen auch noch hohe Parkplatzgebühren an, um überhaupt in den Wald zu kommen. Auch das Sammeln von Pilzen steht immer wieder zur Diskussion. In Kärnten oder Tirol werden gar Schilder mit „Pilze sammeln verboten“ aufgestellt. Jurist:innen sind sich uneinig, ob das jetzt erlaubt ist oder nicht. Zu tragen haben das Leid die Erholungssuchenden.

 

„Die Corona-Pandemie hat das Bedürfnis, die freie Zeit in der Natur zu verbringen noch verstärkt. Die willkürlichen Sperren der großen Bundesgärten oder von Parkplätzen, die als Ausgangspunkt für Wanderungen genutzt werden, waren daher kontraproduktiv. Diese unsinnigen Einschränkungen zeigen, wie wichtig es ist, ein Grundrecht auf Naturgenuss in Österreich rechtlich zu verankern“, sagt Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer Wien.

 

Land der unzugänglichen Seen

In Österreich gibt es über 25.000 Seen, allerdings werden immer mehr Seeufer in Österreich für die Allgemeinheit unzugänglich. Denn diese wurden in der Vergangenheit mit Villen, Hotels und Zweitwohnsitzen zugebaut. Oftmals haben nur die Besitzer:innen und zahlende Gäste Zutritt zum Wasser. Viele der großen österreichischen Seen werden vermarktet und kommerzialisiert. Negativbeispiel hier, der Wörthersee: 82 Prozent seines Ufers sind bereits privat. Nur neun Prozent sind öffentlich zugänglich. Auch andere Seen werden immer stärker privatisiert, so sind beispielsweise 76 Prozent des Attersees und des Ossiacher Sees ebenfalls in privater Hand. In privaten Seen und Gewässern ist das Baden nur mit der Erlaubnis der Besitzer:innen möglich und oft mit hohen Pachtgebühren verbunden.

 

„Die Entwicklung ist insgesamt alarmierend. Es kann nicht sein, dass immer mehr Bereiche unserer Natur in den Händen einiger weniger liegen und diese darüber bestimmen, wer diese benutzen darf und zu welchem Eintrittspreis. Die Natur gehört uns allen, und dafür braucht es klare Gesetze, die das auch ermöglichen“, so Anderl.

 

Besseren Zugang zur Natur, Seen und Wälder für alle

In skandinavischen Ländern oder Bayern kann es nicht so leicht dazu kommen, dass der Zugang zur Natur für die Allgemeinheit erschwert wird, denn dort gilt das „Jedermannsrecht“ (siehe Exkurs). Das Recht aller, die Natur und deren Früchte zu nutzen. In einer aktuellen Studie der Arbeiterkammern, der Naturfreunde Österreich und des Österreichischen Alpenvereins werden konkrete Vorschläge gezeigt, wie die Natur wieder für alle nutzbar wird und Österreichs Wälder, Seen, Almen nicht exklusive Oasen für die Reichen bleiben.   

 

 „Der Österreichische Alpenverein vermerkt einen zunehmenden Druck auf die freie Betretbarkeit der Natur. Um die Wegefreiheit zu garantieren soll diese durch eine Verfassungsbestimmung abgesichert werden. Mit unserem Slogan „Wege ins Freie“ stehen wir für Naturerlebnis, Erholung, Bergabenteuer und das Beschreiten der ganz individuellen Wege ins Freie“, so Wolfgang Schnabl, Vizepräsident vom Österreichischen Alpenverein.

 

Studie zeigt Nachholbedarf

Die Studie wurde im Auftrag der neun Arbeiterkammern, der Naturfreunde Österreichs und des Österreichischen Alpenvereins von der Universität Innsbruck erstellt und zeigt auf: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für rechtliche Verbesserungen für die Erholungssuchenden. Die aktuelle österreichische Rechtslage für den Zugang zur Natur ist unzureichend. Es gibt zwar zahlreiche Bestimmungen, die der Bevölkerung recht weitgehenden Zugang zur Natur garantieren. Vielfach bestehen aber Rechtslücken, die nur durch Interpretationen geschlossen werden können. Dort, wo ein Zugangsrecht besteht, wird es durch zahlreiche Ausnahmebestimmungen und Beschränkungsmöglichkeiten durchlöchert.

 

„Das Ergebnis ist leider oft eine ungerechtfertigte Wegesperre. Die Naturfreunde setzen sich seit ihrer Gründung vor 127 Jahren für das freie Wegerecht im Bergland ein. Öffentliche Wege, die schon immer zum Wandern benutzt wurden, dürfen nicht dauerhaft gesperrt werden. Diese Grundeinstellung spiegelt sich im Naturfreunde-Gruß "Berg Frei!" wider. Die Naturfreunde setzen sich für ein konstruktives und respektvolles Miteinander am Berg ein und fordern weiterhin einen grundsätzlich freien Zugang zur Natur für Erholungszwecke“, sagt Andreas Schieder, Bundesvorsitzender Naturfreunde Österreich.  

 

Forderungen

Deshalb fordern die Arbeiterkammern, die Naturfreunde Österreich und der Österreichische Alpenverein die österreichische Politik auf, ein Grundrecht auf Natur in der österreichischen Verfassung zu verankern. Im konkreten wird folgende Verfassungsbestimmung vorgeschlagen:

 

(1)        Jede Person hat das Recht, die Naturräume und Landschaften zu Erholungszwecken oder aus Gründen der Wissenschaft oder der Bildung unentgeltlich zu betreten oder sich dort aufzuhalten. Die Aneignung wildwachsender Pilze, Pflanzen, Beeren und Kräuter ist allen im Rahmen der Gesetze für den Eigenbedarf im ortüblichen Umfang gestattet.

 

(2)        Zur freien Natur gehören insbesondere das alpine Ödland, die Almregionen, Wälder, Steppenlandschaften, stehende und fließende Gewässer inklusive Uferflächen sowie Kulturflächen außerhalb der Vegetationsperiode, soweit dies die landwirtschaftliche Nutzung nicht beeinträchtigt. Dazu gehören nicht Abstandsflächen zu Gebäuden zum Schutz der Wahrung der Privatheit und notwendiger wirtschaftlicher Interessen.

 

(3)        Dieses Recht kann durch Gehen, Laufen, Radfahren, Skifahren, Rodeln, Schwimmen sowie mit maschinell antriebsfreien Schwimmfahrzeugen und vergleichbaren umweltschonenden Aktivitäten ausgeübt werden.

 

(4)        Behördliche Beschränkungen dieses Rechts sind nur aufgrund eines Gesetzes möglich. Dabei ist auf die Schutzgüter Leben, Gesundheit, Eigentum, Sicherheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, der Land- und Forstwirtschaft und des Umweltschutzes Bedacht zu nehmen.

 

(5)        Beschränkungen dieses Rechts durch Grundeigentümer und sonstige Verfügungsberechtigte sind aus Gründen des Schutzes der Privatheit zur Abwehr von Schäden und Belästigungen zulässig. Über die Zulässigkeit solcher Maßnahmen entscheidet auf Antrag die Behörde. Näheres wird durch das Gesetz geregelt.

 

(6)        Die Inanspruchnahme dieses Rechts darf nur mit größtmöglicher Schonung von Natur und Umwelt wahrgenommen werden.

 

(7)        Den Betroffenen hat die Gesetzgebung effektiven Rechtsschutz einzuräumen.

 

(8)        Bund, Länder und Gemeinden haben als Träger von Privatrechten die freie Zugänglichkeit zu Naturräumen und Landschaften insbesondere durch die Förderung der Anlegung und Betreuung von Wanderwegen, Lehrpfaden und Erholungsräumen sicherzustellen. Dabei ist auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung Bedacht zu nehmen.

 

 

Erreichbarkeit der Natur mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist erheblich zu verbessern

Wichtig in dem Zusammenhang ist auch die ökologische Sicht insbesondere beim Thema Anfahrt zur Natur. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Der Linienbusverkehr ist auf den Schul-, Einkaufs- und Berufsverkehr ausgerichtet. Dies erschwert die Planung von Wander-, Rad- oder Schitouren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, oft ist dies kaum oder gar nicht möglich. Österreich hat beschlossen, bis 2030 die Treibhausgase beim Verkehr auf 15,7 Mio. Tonnen CO2 zu reduzieren. Dazu muss auch der  PKW-Verkehr massiv reduziert werden. Besonders im ländlichen Raum gibt es hier erheblichen Aufholbedarf. Es braucht dringend bessere Lösungen, damit Erholungssuchende die Natur mit öffentlichen Verkehrsmitteln besser erreichen können.

 

Besucher:innenlenkung ja, wo erforderlich

Es geht nicht um einen Zugang zur Natur, um in der Natur Erholungsaktivitäten aller Art zu betreiben. Es geht darum, sich durch die Natur zu erholen. Für diesen Zweck ist ein freier Zugang zur Natur unabdingbar. Wer sich durch die Natur erholen möchte, wird verantwortungsvoll und schonend mit ihr umgehen. Klare Rechtsnormen mit effizienten Verfahren sind die Grundlage konfliktarmen Zusammenlebens. Dann bleibt mehr Zeit für den ungestörten Naturgenuss für alle. Gemeinsam erstellte Lenkungskonzepte sind für alle Beteiligten Naturnutzer:innen hilfreich um „Ouvertourism“ zu vermeiden.

 

Fair zu unserer Umwelt und zum Menschen – Miteinander geht’s am besten

Je mehr Menschen sich im Wald, auf den Bergen, an Seen aufhalten, umso wichtiger ist es, den gemeinsamen Lebens- und Erholungsraum zu schonen und respektvoll mit allen Bewohner:innen und Nutzer:innen dieses Lebensraumes umzugehen. Es ist daher für alle beteiligten Naturnutzer:innen wichtig, sich an bestimmte Spielregeln zu halten. Fußgeher:innen haben Vorrang gegenüber anderen Sportler:innen. Der Wald ist Lebensraum vieler Wildtiere. Diese dürfen nicht unnötig gestört werden. Informationstafeln, Hinweise und Markierungen sind zu beachten.

 

EXKURS: Beispiele aus anderen Ländern

 

Beispiel Bayern

In Bayern ist ein Grundrecht auf Naturgenuss in der Verfassung verankert. Damit ist das Wandern, Joggen, Nordic Walking, Skilanglaufen, Skifahren, Skaten, Schlittschuhlaufen, Rodeln, Drachen Steigenlassen, Klettern, Reiten, Radfahren, in der „freien Natur“ also Wald, Bergwiesen, Felsen, Ödland, gestattet. Schitourengeher:innen können von der Benutzung der Schipiste nicht ausgesperrt werden. Denn auch Schipisten sind trotz technischer Bodenveränderung immer noch Teil der „freien Natur“. Auch das Baden an Seen und Flüssen ist überall erlaubt. Gleichzeitig ist auf einen sorgsamen Umgang mit der Natur zu achten. So gilt in Naturschutzgebieten der oberste Schutz für die Natur, und Erholungssuchende haben entsprechende Vorschriften einzuhalten. Was geschieht im Fall, dass sich Erholungssuchende beim Wandern, Skaten, Baden oder Klettern verletzen? Sie tragen dafür selbst die Verantwortung: Das Betreten der „freien Natur“ erfolgt auf eigene Gefahr. So müssen sich Erholungssuchende auf Stolperfallen wie Baumwurzeln oder unebene Wege, Wegeschäden, Gefahren wegen Starkregen oder Steinschlag oder auch herumliegende Glasscherben einstellen. Nur im Falle von atypischen Gefahren, haftet der/die Grundeigentümer:in.

 

Beispiel Schweiz

Die Verfassung erlaubt es, das Eigentum zu beschränken.

Unbeschränkter Zutritt für den alpinen Raum für den Wander-, Schi- und Bergradsport.

 

Beispiel Finnland

Um sich in der Natur erholen zu können, gilt ein ungeschriebenes Gewohnheitsrecht. Dieses „Jedermannsrecht“ garantiert ein kostenloses Naturgenussrecht. Erholungssuchende dürfen wandern, reiten, Schi oder Rad fahren. Auch private Straßen dürfen dafür genutzt werden. Es gibt ein Recht auf Schwimmen, Angeln oder Eislaufen. Selbst das Übernachten in einem Zelt, Fahrzeug oder Boot ist erlaubt sowie Pilze, Blumen und Beeren pflücken.

 

Beispiel Schweden

In Schweden ist das „Jedermannsrecht“ zum Betreten der „freien Natur“ in der Verfassung verankert und gilt auf dem Land wie im Wasser. Spazierengehen im Wald, Klettern, Paddeln in einem Kajak, Baden oder Zelten sind erlaubt. In der Nähe von Wohnhäusern oder Bauernhöfen ist um Erlaubnis zu bitten, damit die Bewohner:innen nicht gestört werden. Pilze, Blumen oder Beeren zu pflücken ist erlaubt, außer diese stehen unter Naturschutz. Motorbetriebene Fahrzeuge wie etwa Autos, Motorräder oder Mopeds sind vom „Jedermannsrecht“ nicht umfasst.

 

Beispiel Norwegen

Auch in Norwegen ist ein „Jedermannsrecht“ gesetzlich verankert. Ein wichtiges Element ist dabei „Rücksicht auf andere“ zu nehmen. Also weder darf der Natur ein Schaden zugefügt werden, noch dürfen andere Erholungssuchende oder Grundbesitzer:innen wesentlich gestört werden. Dadurch wird zB das Zelten an manchen Orten eingeschränkt. Für Wälder, Berge, Moore und Küstengebiete – für den überwiegenden Teil des Landes gibt es ein freies Betretungsrecht. Es dürfen sämtliche Felder in einer rücksichtsvollen Art und Weise begangen werden, im Winter ist auch das Schifahren erlaubt. Das Sammeln von Blumen, Kräutern, Beeren und Pilzen ist erlaubt.

 

Beispiel Dänemark

Hier ist das Einverständnis des Grundeigentümers für das Betreten der „freien Natur“ grundsätzlich nicht erforderlich. Erholungssuchende haben das Recht, Wälder, Strände und ungenutzte Flächen zu betreten und sich dort aufzuhalten. Für gewerbemäßige Veranstaltungen ist die Zustimmung des Grundeigentümers einzuholen. 

 

 

Bei der Studienpräsentation vertrat Bundesvorsitzender Andreas Schieder die Naturfreunde. Von links nach rechts: Juliane Nagiller (Moderatorin), Wolfgang Schnabl (Vizepräsident Alpenverein), Andreas Schieder, Renate Anderl (Präsidentin der Arbeiterkammer)
Bundesvorsitzender Andreas Schieder erklärte bei der Begrüßung die noch immer aktuelle Bedeutung des Naturfreundegrußes „Berg frei!“
Die Studienautor*innen präsentierten die Studienergebnisse. Am Wort ist Karl Weber, der die Vorschläge für die neuen Verfassungbestimmungen erarbeitet hat.
Das vorliegende Foto ist ein Beispiel einer immer öfter vorkommenden gesetzeswidrigen Waldsperre. Es wurde der zuständigen BH zur Kenntnis gebracht und die Schilder mussten abmontiert werden.
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