Wandern ist ein tolles Kontrastprogramm zur herrschenden Beschleunigung und Virtualisierung unserer Welt. Es macht Spaß und ist auch noch kostengünstig. Um klimaschädliche CO2-Emissionen zu reduzieren, wählt man am besten Touren, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Wichtig ist auch, dass man beim Wandern auf die sehr sensible alpine Tier- und Pflanzenwelt Rücksicht nimmt.
Was gibt es Schöneres, als in den frühen Morgenstunden zu einer Wandertour aufzubrechen, mit dem Bewusstsein, den ganzen Tag Bewegung zu machen und die Natur zu genießen? Unser Alltag wird oft genug von Hektik und Termindruck bestimmt - unangenehme Begleiterscheinungen des technischen Fortschritts und unserer Konsumgesellschaft. Aber auch der so genannte Freizeitstress darf heutzutage nicht unterschätzt werden. In meiner Kindheit gingen wir oft wandern. An diesen Tagen hatten wir aber sonst nichts vor. Kein Abendessen bei Freunden, kein Theater- oder Kinobesuch oder sonst irgendetwas. Diese Tage waren einzig und allein fürs Wandern reserviert. Haben wir am Berg Freunde getroffen, sind wir einfach länger in der Hütte sitzen geblieben oder wir haben noch einen Gipfel bestiegen – wir hatten ja Zeit.
ZU FUSS UND …
Die meisten Menschen in den Industrienationen bewegen sich zu wenig. Berufstätige, die ihre Arbeit im Sitzen verrichten, gehen im Schnitt nicht einmal mehr einen Kilometer pro Tag. Zu Beginn des 20. Jahrhundert legten die Menschen noch die 20-fache Distanz zu Fuß zurück. Das liegt natürlich auch daran, dass man früher gezwungen war, viele Strecken zu Fuß zu bewältigen, da es keine andere Möglichkeit gab. Heute haben fast alle ein Auto, und man kann daher problemlos überall und schnell hinfahren. Das Streben vieler Menschen, möglichst viel in kurzer Zeit zu unternehmen, hat dazu geführt, dass der Freizeitverkehr meist mit dem Auto abgewickelt wird.
Das trägt aber wesentlich zur Klimaerwärmung bei. Der Anteil des Verkehrs an den CO2-Emissionen macht in Österreich etwa 30 Prozent aus. Der Anteil des Freizeitverkehrs am Gesamtverkehr beträgt 50 bis 60 Prozent. Ein Autofahrer verursacht pro gefahrenen Kilometer ungefähr den zehnfachen CO2-Ausstoß eines Bahnkunden. Im Bereich Freizeitverkehr steckt daher ein großes Potenzial zur Verminderung der klimaschädlichen CO2-Belastung. Dass es deutlich umweltfreundlicher ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Ausgangspunkt einer Wandertour zu fahren, ist den meisten Menschen bewusst. Doch die Ausdünnung des öffentlichen Verkehrs in vielen klassischen Wanderregionen hat dazu geführt, dass man verstärkt auf das Auto zurückgreift.
… MIT DEN ÖFFIS
In Österreich gibt schon viele Initiativen, welche die öffentliche Anreise forcieren und in manchen Seitentälern erst ermöglichen; ich denke zum Beispiel an das Projekt Tälerbus (www.taelerbus.at) und an den Wanderbus Nationalpark Hohe Tauern. Oft kann man auch mit dem Taxi oder mit Shuttlebussen vom Endpunkt der Wandertour zur nächsten Bahn- und/oder Busstation fahren. Im Prinzip kann man sagen: Die meisten Wanderrouten kann man mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen, wenn man es nur genau plant.
Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel hat nicht nur für die Umwelt, sondern auch für uns Wandernde Vorteile. Dies ermöglicht beispielsweise die Wahl von Wanderrouten, die nicht zum Ausgangspunkt der Tour zurückführen. Darüber hinaus sind Bahn- und Busfahrten - vor allem für Kinder - oft ein schönes Erlebnis. Vielleicht sind sie etwas langsamer, dafür aber beschaulicher, auf jeden Fall aber klimaschonend und umweltfreundlich. „Schauen statt stauen!“ könnte die Devise lauten.
HÜTTENATLAS
Eine gute Planungshilfe ist der neue Hüttenatlas „Umsteigen vorm Aufsteigen“ der Naturfreunde Österreich, in dem beschrieben wird, wie man ohne Auto zu 91 Naturfreunde-Hütten in den schönsten Regionen Österreichs kommt. Der Hüttenatlas entstand im Rahmen des vom Klima- und Energiefonds geförderten gleichnamigen Projekts „Umsteigen vorm Aufsteigen“ und bietet zahlreiche Ausflugstipps für jede Jahreszeit. Die Naturfreunde setzen sich schon seit Jahren für einen klimafreundlichen Umgang mit der Umwelt ein und arbeiten laufend daran, ihre Hütten den zeitgemäßen ökologischen Standards anzupassen. Der Hüttenatlas ist kostenlos und kann unter http://www.naturfreunde.at/Shop/detail/59 bestellt werden.
Warum boomen Wandern und Bergsteigen in den letzten Jahren so stark? An erster Stelle steht sicher das befreiende Gefühl, die Natur zu erleben. Wandern bietet einen wunderbaren Ausgleich zum Stress und Frust des Alltags, und man kann es relativ einfach betreiben: Rucksack packen, Bergschuhe anziehen, und los geht’s! Ein herrlicher Kontrast zur zunehmend komplexen und technisierten Umwelt. Man sucht und findet in der Sportart Wandern also das, was man im sonstigen Leben vermisst. Ein weiterer Faktor dürfte wohl auch das Thema Geld sein. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist eine kostengünstige und „heimatverbundene“ Freizeitbeschäftigung wie Wandern eher angesagt als ein exklusiver Tauch- oder Golfurlaub.
RÜCKSICHTSVOLL
Dieser Boom führt aber auch zu einer steigenden Gefahr für die Flora und Fauna der empfindlichen Bergregionen. Der Alpenraum ist ja nicht nur ein Gebiet für Erholung suchende Menschen, sondern v. a. Lebensraum der einheimischen Bevölkerung einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt. Nehmen Sie darauf Rücksicht und beachten Sie einige Regeln, zum Beispiel: nur auf markierten Wegen gehen, auf Abkürzungen verzichten, kein Feuer machen, keine Pflanzen pflücken oder Abfälle hinterlassen. Wenn man mit offenen Augen durch die Natur geht, arbeiten alle Sinne. Dies führt zu einer Mischung aus erfrischenden Erlebnissen und großer Entspannung. Viel Spaß dabei!
OHNE AUTO ZU HÜTTEN
Eine kleine Auswahl von Naturfreunde-Hütten, die auch ohne Auto erreichbar sind:
Stockerhütte (NÖ), 734 m: Von St. Pölten per Zug nach Kreisbach, Traisen oder Wiesenfeld; Aufstieg je nach Ausgangspunkt 1-2,5 Std., ganzjährig geöffnet (Mo. und Di. Ruhetag), Tel.: 0 27 46/763 63
Wiesberghaus (OÖ), 1884 m: Mit dem Zug nach Obertraun, per Bus zur Dachsteinseilbahn; Aufstieg zum Haus von der Bergstation: ca. 2,5 Std., ganzjährig geöffnet, außer von Anfang Nov. bis 27. Dez.), Tel.: 0676/520 31 93
Götzner Haus (Vlbg.), 1140 m: Mit dem Zug nach Hohenems oder Götzis; Aufstieg 2-3 Std., ganzjährig an Wochenenden und Feiertagen geöffnet, Tel.: 0 55 23/622 92
Text von Dipl.-Ing. Regina Hrbek, Leiterin der Natur- und Umweltschutzabteilung der Naturfreunde Österreich; erschienen im Magazin "Wirtschaft & Umwelt", Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit Nummer 3/2011