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Rio+20: Wo bleibt die europäische Verantwortung?

Kommentar von Manfred Pils, Präsident der Naturfreunde Internationale, zur Umweltkonferenz in Rio!

20 Jahre nach dem ersten UN-Weltgipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro sollte die diesjährige Konferenz vom 20. - 22.Juni 2012 über 20 Jahre Nachhaltigkeitspolitik Bilanz ziehen und weitere konkrete Maßnahmen zur Umsetzung einer nachhaltigen Politik beschließen. Dass dies höchst notwendig ist, darüber waren und sind sich alle einig. Die Armut in der Welt hat sich inzwischen verdoppelt – nahezu zwei Milliarden Menschen leben unter der Armutsgrenze. Die Klimaerwärmung konnte nicht gestoppt werden, das Artensterben schreitet rasant voran, die Überfischung der Meere, die Abholzung der Regenwälder, das Fortschreiten der Wüstenbildung: an keiner Stelle kann positive Bilanz gezogen werden.

 

Im Vorfeld der Konferenz unterbreiteten vor allem Nichtregierungsorganisationen, wie die Naturfreunde, unzählige konkrete Vorschläge, die am Gipfel diskutiert werden sollten. Die zukunftsweisenden Diskussionen wurden verhindert. Aus Angst vor einem Scheitern der Konferenz (wie zuvor schon die Klimakonferenzen in Durban oder in Kopenhagen) sind aus dem vorab veröffentlichten Schlussdokument alle kontroversiellen Vorschläge herausgenommen worden – die angereisten Ministerinnen und Minister hatten nichts mehr zu diskutieren.

 

Das Schlussdokument "Die Zukunft die wir wollen" enthält unverbindliche Bekenntnisse zu einer "grünen Wirtschaft" und ebenso unverbindliche Vorschläge zur Bekämpfung der Armut, der Klimaerwärmung und der Wüstenbildung. Keine verbindlichen Auflagen für Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten, kein Entwaldungsstopp für Tropenwälder, keine konkreten Schutzpläne gegen Überfischung der Meere. Alle Forderungen, die zu konkreten Verpflichtungen der Staatengemeinschaft geführt hätten, wurde aus dem Dokument gestrichen, wie z.B. die 30 Milliarden Dollar jährlich für nachhaltige Entwicklung in armen Ländern, die Kappung der gigantischen, weltweit pro Jahr 600 Milliarden Dollar schweren Subventionen für Kohle, Öl und Gas oder die Aufwertung des UN-Umweltprogramms (UNEP) zu einer mächtigen, gut finanzierten UN-Organisation.

 

Ein Vertreter von Greenpeace hat es auf den Punkt gebracht: Wäre die Welt eine Bank, so hätte man sofort Milliarden für ihre Rettung aufgebracht. Die Armut von Menschen oder das Sterben der Ökosysteme hat keinen entsprechenden Wert, kann nicht bilanziert werden und ist daher zweitrangig – ein Kollateralschaden sozusagen.

 

Diese Vorgehensweise zeigt sich bei vielen globalen Konferenzen und politischen Fragen – das ökonomische Wachstum wird gegen die Umwelt und gegen die Armut ausgespielt: Das Wachstum steht primär im Vordergrund, erst anschließend können wir uns Umwelt und Gerechtigkeit wieder leisten. Dieser Ansatz ist sehr kurzsichtig, denn erstens ist zweifellos das Wachstum für Umweltzerstörung und Armut in der Welt verantwortlich, weshalb ein weiterhin zunehmendes Wachstum ein tödliches Rezept sein kann. Zweitens geht es gerade darum, dass wir heute längst wissen, wie eine nachhaltige, ressourceneffiziente und gerechte Wirtschaft zu organisieren ist – wir müssen es nur gegen vorherrschende Interessen einzelner Länder oder Konzerne durchsetzen.

 

Wer soll das machen, wird man zurecht fragen. Die Antwort ist ebenfalls einfach:

Das reichste Fünftel aller Länder emittiert z.B. 60% der Treibhausgase und schaufelt sich damit das eigene Grab. Das ärmste Fünftel ist nicht einmal für 1% verantwortlich, gehört aber zu den Hauptleidtragenden der sozialen und ökologischen Probleme dieser Welt. Das heißt, die Hauptverursacher müssen in ihrem eigenen Interesse ihre Verantwortung wahrnehmen – also die Industriestaaten und insbesondere Europa. Die europäischen Politikerinnen und Politiker werden nur dann handeln, wenn die Zivilgesellschaft, wie die Naturfreunde, eine entsprechende Politik einfordert. Wir wissen, was zu tun wäre - also sollten wir es auch tun. 

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