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Weltwassertag: Österreichs Flüssen droht der Herzinfarkt

Gemeinsame Presseaussendung der Plattform Flüsse voller Leben zum Internationalen Tag des Wassers

Ernüchternde Diagnose: Zwei von drei heimischen Flüssen sind Risikopatienten

 

Wien, am 21. März 2016: Zum Internationalen Tag des Wassers (World Water Day) am 22. März weisen die Naturfreunde Österreich und die Initiative „Flüsse voller Leben“ auf den galoppierenden Verlust ökologisch intakter, frei fließender Flüsse hin. Obwohl Flüsse und Feuchtgebiete immer noch wahre Schatzkammern der Artenvielfalt sind, verschwindet global gesehen nichts so schnell wie eben diese Lebensräume. Zu den größten Gefahren zählen Ableitung, Zerstückelung und Verschmutzung von Gewässern, sowie weitere harte Uferverbauungen. Veränderungen der Flussgebiete und des Wasserabflusses – etwa durch Wasserkraftwerke – ließen die Vorkommen flussbewohnender Arten zwischen 1970 und 2010 um 76 Prozent schrumpfen.

 

Wasserreich – Wasserarm? Tabuzonen erhöhen die Heilungschancen

Österreich besitzt einen Wasserreichtum, für den es von vielen Staaten beneidet wird. Tatsächlich sind nur 15 Prozent unserer Gewässer noch „gesund“, also ökologisch intakt. Mehr als 70 Prozent unserer Flüsse sind durch über 5000 Wasserkraftwerke, Aufstau, Buhnen, Ausleitungen und Schwallbetrieb geschädigt – und dennoch sind hunderte neue Kraftwerke geplant. „Die Flüsse und Bäche durchziehen unser Land wie Blutgefäße. Werden sie durch noch mehr Kraftwerke verstopft, droht der Infarkt“, so der plastische Vergleich der Partner der Allianz „Flüsse voller Leben“, zu der die größten Österreichischen Umweltorganisationen, Kajak- und Fischereiverbände gehören.

 

Die heimischen Flüsse sind zwar größtenteils sauber, doch sie fließen monoton, eingeengt und artenarm dahin. Mit dem Verlust ihrer Natürlichkeit sinkt die Widerstandskraft der Gewässer gegen Umweltstress. Bei einem Patienten mit so vielen Risikofaktoren ist das Vorsorgeprinzip besonders wichtig, meint die Flüsse-Allianz: „Für unsere Flüsse lautet die Devise: Vorbeugen, wo möglich – durch Tabuzonen für neue Kraftwerkseingriffe – und Heilen, wo notwendig – durch groß angelegte Renaturierungen“.

 

Klimafreundliche Zukunft statt Kollaps der Flüsse

Besonders in der Alpenregion sollte die Erhaltung der Flüsse höchste Priorität haben. Hier liegt die erwartete Klimaerwärmung mit zwei Grad Celsius deutlich über dem globalen Durchschnitt. Gleichzeitig nehmen extreme Wetterereignisse zu. „Gesunde Flüsse werden mit den Folgen des Klimawandels wie häufigeren und heftigeren Hochwässern, steigenden Wassertemperaturen und erhöhter Verdunstung besser fertig“, mahnt Gebhard Tschavoll vom WWF. Von insgesamt 32.000 Flusskilometern in Österreich ist jedoch nur ein Drittel in einem natürlichen oder naturnahen Zustand. 19.000 Kilometer an langzeitgeschädigten Flüssen müssen bis 2027 saniert werden, so die europäische Wasserrahmen-Richtlinie.

Kraftwerksflut auch in Schutzgebieten: Exodus bedrohter Arten

Trotz eines Überangebots am europäischen Strommarkt planen die österreichische EWirtschaft und Privatunternehmer vielfach ohne Rücksicht auf Flussnatur und unter dem Deckmantel des Klimaschutzes hunderte neue Wasserkraftwerke. Über die Hälfte davon betreffen sensible Flussstrecken oder Schutzgebiete. Diese Kraftwerke bringen Vogelarten wie den Flussuferläufer und den Flussregenpfeifer an den Schotterbänken der Isel in Osttirol in Bedrängnis; sie gefährden den Steinkrebs in den Schluchten der Schwarzen Sulm in der Steiermark genauso wie der Biber am Kamp im niederösterreichischen Waldviertel. Fischaufstiegsanlagen unterstützen zwar die Aufwärtswanderung von Fischen zu ihren Laichplätzen, der Weg stromab führt aber immer noch viel zu oft durch die Turbine. „Gesetzgeber und Kraftwerkswerber müssen endlich mit Nachdruck nach technischen Lösungen für einen fischverträglichen Abstieg suchen“, fordert Sonja Behr, Geschäftsführerin des Österreichischen Kuratoriums für Fischerei und Gewässerschutz (ÖKF).

 

Flüsse weiterhin durch Schadstoffe belastet

Trotz der verbesserten Gewässergüte in Österreich, gelangen nach wie vor belastete Abwässer in unsere Flüsse und Bäche. Das gilt vor allem für Pestizide, wie GLOBAL 2000 erst kürzlich in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten nachgewiesen hat. Sogar in die Obere Mur, Natura 2000 Gebiet und jüngst mit dem internationalen „Riverprize“ in zwei Kategorien geadelt, könnten in Zukunft wieder mehr industriell verschmutzte Abwässer gelangen: Im Rahmen der UVP für das Minex-Werk in Zeltweg, blieben heikle Fragen zu erwärmten und chemisch belasteten Abwässern offen. Herwig Schuster von Greenpeace hält fest: „Für die Mur müssen besonders strenge Maßstäbe gelten, sonst läuft die Steiermark Gefahr, die Erfolge der letzten Jahre wieder zunichte zu machen!“

 

Hoffnungsfluss Salzach: Wiederbelebung erfolgreich

Nach jahrelangem Ringen um die Renaturierung der Salzach besteht Hoffnung, dass diese – auf über 60 Kilometern Länge flussab der Landeshauptstadt bis zur Mündung in den Inn – als frei fließender Voralpenfluss erhalten bleibt, so Hannes Augustin vom Naturschutzbund Salzburg. Bereits erfolgreich realisiert wurde die vorbildliche Flussaufweitung südlich von Oberndorf/Laufen auf etwa vier Kilometern Länge. Auch die Saalachmündung zwischen Freilassing und der Stadt Salzburg wurde – im Zuge einer Hochwasser-Sofortmaßnahme – renaturiert. Erfreulich ist zudem, dass im Natura 2000-Gebiet Salzachauen ein EU-LIFEProjekt für weitere ökologische Verbesserungen bewilligt wurde. Etwas ungewiss ist die konkrete Zukunft der Unteren Salzach im Tittmoninger Becken, wo noch um die Umsetzung der Naturfluss-Variante gerungen werden muss.

 

Masterplan für Schutz und Nutzung zur Risikoprävention

Um dem Wettlauf um die Nutzung der letzten ökologisch intakten Gewässer endlich einen Riegel vorzuschieben, benötigt es wirkungsvolle gesetzliche Regelungen. Der WWF hat mit seinem „Ökomasterplan“ einen Leitfaden für Bund und Länder vorgelegt. „Die notwendige Energiewende hin zur Vollversorgung mit erneuerbaren Energieträgern kann nicht durch Naturzerstörung erreicht werden, sondern nur durch effiziente Nutzung von Energie, Einschränkung der Energieverschwendung und ökologisch verträglich erschlossene erneuerbare Energie“, erklärt Reinhold Christian vom Forum Wissenschaft & Umwelt.

 

Sorgsam mit unserem Wasserschatz umzugehen ist ein gesellschaftliches Bedürfnis, wie die steigende Zahl aktiver Menschen und Initiativen in ganz Österreich beweist. In der Plattform „Flüsse voller Leben“ engagieren sich seit dem Jahr 2009 mittlerweile über 30 Umwelt- und Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen, darunter: Naturfreunde Österreich, WWF Österreich, Greenpeace, GLOBAL 2000, ÖKOBÜRO, Österreichischer Fischereiverband, Österreichisches Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz, kajak.at, Naturschutzbund Österreich, Forum Wissenschaft und Umwelt, Lebenswertes Kaunertal usw.

 

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